Im ersten Teil konntet ihr euch darüber informieren, was die B Corporation ist und welche Motivation Unternehmen haben, um sich diesem Netzwerk anzuschließen. In diesem zweiten Teil erfahrt ihr, wie die Zertifizierung abläuft und was mein Fazit zur B Corporation ist.
Zum Teil 1: Über die B Corporation und was Unternehmen dazu motiviert
Wie die Zertifizierung abläuft
Um eine B Corporation-Zertifizierung zu erhalten, führt ein Unternehmen zunächst eine Online-Bewertung durch – das B-Impact Assessment. Janneke Wagner betont den holistischen Ansatz des Katalogs, der aus mehreren Fragen besteht: „Wenn man ein Unternehmen als menschlichen Körper betrachten würde, schaut man nicht nur wie hoch sein Blutdruck ist, um zu verstehen, wie es ihm geht. Es müssen noch viel mehr Aspekte gemessen werden, zum Beispiel das Sehvermögen, die Atemwege, die Verdauung usw.“
Der Vorteil: Das Assessment wird von B Lab kostenlos online zur Verfügung gestellt und kann völlig unverbindlich ausgefüllt werden. Somit steht es also auch jenen Unternehmen frei, die einfach nur schauen wollen, wo sie in puncto Nachhaltigkeit stehen. Für Fabian Schlatter war diese Phase ein Lernprozess. „Dadurch, dass wir zur Beantwortung der Fragen in die Tiefe des Unternehmens gehen mussten, waren wir gezwungen zu reflektieren: Wie können wir Licht in dunkle Ecken bringen? Und wo gibt es noch Verbesserungspotenzial bei uns?“
Unternehmen, die eine Mindestpunktzahl von 80 von 200 Punkten erreichen, durchlaufen anschließend ein Prüfungsverfahren. Dabei werden im Wesentlichen in einer Telefonkonferenz die in der Bewertung enthaltenen Angaben verifiziert. Zusätzlich müssen entsprechende Unterlagen vorgelegt werden, um die Angaben zu belegen. „Beantworten Sie den B Corp -Einstiegsfragenkatalog realistisch. Es wird sowieso nachher alles überprüft.“ empfiehlt Marcel Pietsch.
Sein Team konnte mit der Erfahrung aus den früheren Zertifizierungen in den Verifizierungsprozess hineingehen. Für sie bestand die Herausforderung darin, ihre verschiedenen Nachhaltigkeitsaktivitäten nochmals neu zu strukturieren, damit nicht jede Bewertung immer wieder eine ähnliche Dokumentenaufarbeitung erfordert. Ein Ratschlag dazu: „Bündeln Sie alles in einem Datensatz. Wir nehmen neben B Corp auch bei den UN SDG und UN Compact teil. Es werden immer wieder ähnliche Daten gefordert, die man als Mittelständler besser an einem Ort hat, sonst analysiert man sich schnell tot.“
Für das Team von NUE digital war das Einreichen der Nachweise eine kleine Herausforderung, die einiges an Zeit für Dokumentations- und Rechercheaufwand erforderte. „Wir standen häufiger vor der Frage: Wir erfüllen dieses und jenes Kriterium, aber haben wir es auch verschriftlicht?“ Daher der Tipp: Frühzeitig um aussagekräftige Unterlagen kümmern!
Durchschnittlich erreichter B Impact-Score aller B Corps
Abhängig von der Art des Unternehmens muss ebenso der Gesellschaftsvertrag angepasst werden. Darin muss verankert sein, dass in den Geschäftsentscheidungen sowohl Shareholder, als auch andere Interessensgruppen, wie zum Beispiel Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten, gleichberechtigt behandelt werden. Ebenso muss eine Verpflichtung zum Triple Bottom Line – Ansatz enthalten sein.
Wurden alle diese Bedingungen erfüllt, muss noch ein jährlicher Mitgliedsbeitrag gezahlt werden, der je nach Unternehmensgröße zwischen 500 und 50.000 US$ liegt. Die Ergebnisse der Zertifizierung werden übrigens zugunsten der Transparenz auf der Webseite von B Lab veröffentlicht.
Wie geht es danach weiter?
Die Transformation zu einem nachhaltigen Unternehmen wird bei B Lab als ein kontinuierlicher und niemals endender Prozess gesehen: Die Welt verändert sich immer weiter und somit auch die Anforderungen an die zertifizierten Unternehmen. Aus diesem Grund, und um der Gefahr des Greenwashings durch einmalige Prüfungen vorzubeugen, muss der gesamte Zertifizierungsprozess alle drei Jahre wiederholt werden.
Für Fabian Schlatters Unternehmen war es von Anfang an wichtig, alle Mitarbeiter in diesen kontinuierlichen Prozess aktiv einzubeziehen. „Wir fragen die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen, welche Nachhaltigkeitsthemen für sie am relevantesten sind. Wichtig ist, sie zu empowern, damit sie Sachen selbst in die Hand nehmen. Ohne sie würde das nicht funktionieren.“
Fazit
Wie sinnvoll ist der B Corp-Ansatz?
Ich muss sagen, dass mich das Konzept der B Corporation während meiner Recherche für diesen Artikel zunehmend beeindruckt hat. Während viele Menschen darauf warten, dass sich Regierungen auf strengere Regularien und Gesetze zum Schutz unserer Umwelt und für eine faire Behandlung aller Menschen einigen, haben B Lab eine Plattform für Unternehmen geschaffen, die sich selbst als treibende Kraft sehen, um unsere Welt aktiv und nachhaltig mitzugestalten. Machen statt abwarten. Das eine muss das andere ja nicht ausschließen.
Wer sollte eine Zertifizierung in Betracht ziehen? Und wer nicht?
Grundsätzlich eignet sich die Zertifizierung für alle Arten von For-Profits, also profitorientierte Unternehmen. B Lab machen jedoch keinen Hehl daraus, wen genau sie in ihrem Boot haben wollen: Es sind Vorreiter, die bereit sind, ihr Streben nach sozialem und ökologischem Impact ausdrücklich nach außen zu kommunizieren und dafür einzustehen. Unternehmen, die dieses Streben nur als Hype betrachten, der irgendwann wieder verschwindet, sind hier fehl am Platz.
Wichtig ist auch zu überlegen, ab welchem – ich nenne es einmal Reifegrad, eine Zertifizierung überhaupt sinnvoll ist. Marcel Pietsch von PNZ empfiehlt: „Unter 70 Punkten im B Impact Assessment ist es noch zu früh für die Zertifizierung. Wir haben mit 130 Punkten in der Selbsteinschätzung begonnen und sind dann mit 115 gelandet.“ Für eher Zögerliche sei daher hier noch einmal das unverbindliche Ausfüllen des Fragenkatalogs empfohlen.
Verteilung der Mitarbeiterzahlen aller B Corps
Wie aufwendig oder schwierig ist die Zertifizierung?
Der Zertifizierungsprozess ist bewusst nicht einfach gehalten, um dem hohen Anspruch des B Corp-Movements gerecht zu werden. Dass die Nachhaltigkeit aller Bereiche eines Unternehmens gemessen wird, kann bei zunehmender Größe einen hohen Recherche- und Dokumentationsaufwand bedeuten. Dazu sagt Marcel Pietsch: „B Corp ist unserer Meinung nach eine Aufbauzertifizierung. Wenn man noch keine ISO 9001, 14001 oder ähnliche Zertifizierung gemacht hat, wird man mit dem Dokumentationsaufwand große Schwierigkeiten bekommen.“
Ebenso ist es notwendig, alle Mitarbeiter frühzeitig und kontinuierlich in den Prozess einzubeziehen. Eine effiziente und transparente interne Kommunikation sowie eine offene und selbstorganisierte Teamkultur im Unternehmen spielen hier eine wichtige Voraussetzung. Jedoch könnte und sollte man diese Herausforderungen vielleicht einfach als Möglichkeit sehen, um sein Unternehmen viel genauer kennen- und für sich selbst dazuzulernen.
Nachteile
Der Zertifizierungsprozess hat bei PNZ immerhin ganze sieben Monate gedauert. Das hing auch mit teilweise langen Antwortzeiten seitens B Labs zusammen – der einzige Kritikpunkt von Marcel Pietsch. Ein möglicher Grund: Derzeit arbeitet Danone daran, als B Corp zertifiziert zu werden. Pietsch vermutet, dass dadurch viele Ressourcen bei B Lab in Anspruch genommen werden, die nun an anderer Stelle fehlen. Dem entgegnet Janneke Wagner: „Wir sind eine Organisation, die sich nur durch Spenden finanziert. Die Mitgliedsbeiträge decken gerade so die Kosten ab, die wir durch die Durchführung der Zertifizierungen haben. Wir leiden deswegen eigentlich permanent unter einem Mangel an Ressourcen.“
Was sich zudem erschwerend bei einer Zertifizierung von Unternehmen im bundesdeutschen Raum auswirken kann, besonders wenn man das direkte Gespräch sucht: Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten wie Frankreich, Italien und den Niederlanden, gibt es in Deutschland noch keinen Standort von B Lab. Dieser ist laut Janneke Wagner erst in zwei Jahren geplant (Stand Dez. 2019).
Die Zertifizierung zur B Corporation hat zudem keinen rechtlichen Status.
3 Take Aways zur Zertifizierung
- Die Zertifizierung ist ein Teamprozess und erfordert das unbedingte Commitment dazu, das eigene Unternehmen umfassend nachhaltig gestalten zu wollen.
- Es geht eigentlich nicht um die Zertifizierung an sich, sondern um den Lernprozess und das Netzwerken mit Gleichgesinnten.
- Wer mitmachen möchte, sollte sich frühzeitig um eine umfassende und nach Möglichkeit wiederverwendbare Dokumentation der eigenen Nachhaltigkeit kümmern.
Wer mehr über die B Corporation wissen möchte, kann sich auf der Webseite von B Lab informieren. Hier noch der Link zum Kontaktformular.
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